Die Argumentation von Marcel Züger ist ideologisch gefärbt, selektiv und teilweise wissenschaftlich nicht haltbar. Im Folgenden analysiere ich die zentralen Aussagen, widerspreche ihnen mit wissenschaftlich fundierten Gegenargumenten und ergänze diese durch aktuelle Forschungsliteratur.
Behauptung im Text von Marcel Züger:
„Wenn Wölfe das Wild aus den Asylen heraustreiben, erleichtert es die Abschüsse.“
Widerspruch:
Wildruhezonen dienen nicht primär der Jagderleichterung, sondern dem Schutz der Wildtiere und der Stabilität des Ökosystems. Studien zeigen, dass Wildtiere in störungsarmen Zonen weniger Stress ausgesetzt sind, effizienter äsen und weniger Waldschäden verursachen.
Wissenschaftlicher Beleg: Reimoser et al. (2016) zeigen, dass Wildruhezonen die Bewegungsaktivität und damit den Energieverbrauch der Tiere senken. Das reduziert die Verbissbelastung in anderen Zonen und stabilisiert Populationen.
Quellen:
Reimoser, F., & Nopp-Mayr, U. (2016). Wildökologie und Jagdwirtschaft. Springer.
Ellenberg, H. (1988). Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. Ulmer.
Behauptung im Text von Marcel Züger:
„Wölfe stören die Energieeinsparung der Hirsche, was zu hohem Energieverlust führt.“
Widerspruch:
Diese Aussage greift zu kurz. Wölfe sind Teil des natürlichen Ökosystems und ihre Präsenz hat regulierende Effekte auf das Wildverhalten, die positiv für die Vegetation sind. Tiere, die ständig im Energiesparmodus bleiben, verbrauchen weniger, aber verursachen dafür auch mehr lokale Übernutzung.
Wissenschaftlicher Beleg: Ripple & Beschta (2004) zeigen, dass Wölfe durch sogenannte "ökologische Effekte der Furcht" (ecology of fear) das Raumverhalten von Huftieren verändern und dadurch die Regeneration von Pflanzenarten (z. B. Weiden, Espen) fördern.
Quellen:
Ripple, W.J., & Beschta, R.L. (2004). Wolves and the ecology of fear: Can predation risk structure ecosystems? BioScience, 54(8), 755–766.
Kuijper, D.P.J. et al. (2013). Fear of wolves has indirect effects on tree regeneration in Białowieża Primeval Forest, Poland. Oikos, 122(9), 1243–1250.
Behauptung im Text von Marcel Züger:
„Wölfe machen die Jagd unberechenbarer und erschweren das Erreichen jagdlicher Ziele.“
Widerspruch:
Die Jagd mag sich verändern, aber nicht in ihrer Notwendigkeit oder Effizienz per se. Vielmehr müssen Jagdstrategien angepasst werden. Langfristig kann Wolfspräsenz sogar helfen, überhöhte Wilddichten zu regulieren, wodurch weniger jagdliche Eingriffe nötig sind.
Wissenschaftlicher Beleg: In Schweden und Polen wurde gezeigt, dass die Rückkehr von Wölfen die Dichten von Rothirschen und Rehen signifikant reduzierte – mit positiven Folgen für die Waldverjüngung und ohne die Jagd überflüssig zu machen (Elmhagen et al., 2010).
Quellen:
Elmhagen, B. et al. (2010). Trophic cascades in terrestrial ecosystems: a review of the effects of carnivore removals on herbivores and plants. Biological Reviews, 85(3), 391–413.
Chapron, G. et al. (2014). Recovery of large carnivores in Europe’s modern human-dominated landscapes. Science, 346(6216), 1517–1519.
Behauptung im Text von Marcel Züger:
„Der Wolf bringt das Wildtiermanagement aus dem Gleichgewicht, weil er nicht kooperiert.“
Widerspruch:
Der Wolf ist kein „Problem“, sondern ein integraler Bestandteil funktionierender Ökosysteme. Der Mensch ist der Störfaktor, nicht der Wolf. Dass der Wolf menschliche Regeln ignoriert, ist trivial – er ist ein Wildtier. Ein modernes Wildtiermanagement berücksichtigt Prädatoren – wie es international längst der Standard ist.
Wissenschaftlicher Beleg: Caro & Sherman (2011) argumentieren, dass trophische Interaktionen durch Großprädatoren stabilisierend wirken und zur Resilienz von Ökosystemen beitragen.
Quellen:
Caro, T., & Sherman, P.W. (2011). Endangered species and a threatened discipline: behavioural ecology. Trends in Ecology & Evolution, 26(3), 111–118.
Behauptung im Text von Marcel Züger:
„Wölfe töten Jagdhunde, was die Jagd erschwert.“
Widerspruch:
Tatsächlich kann es zu Konflikten kommen, diese sind aber extrem selten und können durch angepasste Jagdformen (z. B. Leinenpflicht, GPS-Tracking) minimiert werden. In den meisten Ländern mit stabilen Wolfsbeständen ist Jagd weiterhin möglich – auch mit Hunden.
Faktenlage: Die meisten Wolfsangriffe auf Jagdhunde erfolgen während der Ranzzeit (Paarungszeit) und bei Hunden, die weit vom Jäger entfernt agieren. Dies ist steuerbar.
Quellen:
Reinhardt, I., Kluth, G., Nowak, S. et al. (2019). Wolf–dog interactions in human-dominated landscapes in Europe. Mammal Review, 49(4), 326–339.
Behauptung im Text von Marcel Züger:
„Wildtiere fördern Baumstabilität, Biodiversität und Bodenstruktur.“
Widerspruch:
Ja, es gibt positive Effekte von moderatem Wildverbiss und Wildverhalten. Doch: Diese Effekte kehren sich bei zu hoher Wilddichte ins Negative. Gerade in Mitteleuropa ist überhöhter Wildbestand ein Hauptgrund für Waldverjüngungsprobleme.
Beleg: Eine Metastudie von Ammer et al. (2010) zeigt, dass übermäßiger Verbiss durch Reh und Rotwild in großen Teilen Mitteleuropas zur Verarmung der Baumartenvielfalt führt.
Quellen:
Ammer, C., et al. (2010). Zur Bedeutung von Wildverbiss für die Waldverjüngung. AFZ-DerWald, 14, 792–797.
Gill, R.M.A. (1992). A review of damage by mammals in north temperate forests: 1. Deer. Forestry, 65(2), 145–169.
Die im Text vorgebrachte Argumentation ist durchzogen von Einseitigkeit und selektiver Auslegung ökologischer Zusammenhänge. Wölfe erschweren manches – aber sie bereichern auch das Ökosystem, stabilisieren Wildbestände und fördern natürliche Regenerationsprozesse. Die Herausforderungen an Jagd und Forstwirtschaft sind real, aber lösbar – mit modernen, ökologisch fundierten Managementstrategien, nicht mit Schuldzuweisungen an die Natur.