Der von Marcel Züger verfasste Text ist rhetorisch alarmistisch, teils spekulativ und in mehreren Punkten wissenschaftlich nicht korrekt oder zumindest irreführend dargestellt. Im Folgenden werden zentrale Aussagen des Textes analysiert und mit wissenschaftlich fundierten Argumenten und Quellen widerlegt oder relativiert.
Marcel Züger:„Eine Selbstregulation der Wölfe gibt es erst bei einem Bestand von rund 4000 Wölfen im bayrischen, Südtiroler, Österreicher und Schweizer Alpenraum.“
Widerspruch: Das Populationswachstum von Wölfen ist nicht dauerhaft exponentiell
Biologische Realität: Wölfe folgen logistischem Wachstum, wie auch im Text selbst erwähnt. Das bedeutet: Nach einer Phase beschleunigten Wachstums regulieren Ressourcenverfügbarkeit, innerartliche Konkurrenz, Krankheiten und Revierkonflikte die Population deutlich vor Erreichen einer theoretischen Umweltkapazität.
Beispiel Skandinavien: In Skandinavien und Osteuropa stagnieren Wolfsbestände nach Erreichen einer bestimmten Dichte – lange vor theoretischen Maximalzahlen. Laut Chapron et al. (2014) bewegen sich Wolfsdichten dort zwischen 0,5 und 2,0 Individuen pro 100 km² – deutlich weniger als vom Text behauptet.
📚 Quelle: Chapron, G. et al. (2014). Recovery of large carnivores in Europe’s modern human-dominated landscapes. Science, 346(6216), 1517–1519. DOI: 10.1126/science.1257553
Marcel Züger: „Wenn obige Dichte auf Festlandeuropa hochgerechnet wird, ergibt sich eine Anzahl von über 500 000 Exemplaren.“
**Widerspruch: Diese Hochrechnung ist methodisch falsch und ökologisch unrealistisch
Diese Projektion basiert auf einer willkürlichen Dichteannahme (wohl mehrere Wölfe pro 100 km²) und ignoriert:
Fragmentierung der Landschaft,
menschliche Präsenz,
Habitatqualität,
Beuteverfügbarkeit,
gesetzliche Toleranz.
Realistische Schätzungen (z. B. von der Large Carnivore Initiative for Europe, LCIE) gehen von deutlich niedrigeren Kapazitäten aus. Derzeit leben rund 20.000–25.000 Wölfe in Europa (2022), die sich relativ stabil aufteilen und nicht exponentiell wachsen.
📚 Quelle: Boitani, L., Linnell, J. D. C., et al. (2022). Large Carnivore Populations in Europe 2021 Update. LCIE / European Commission.
Marcel Züger: „Das jährliche Netto-Wachstum betrug 33 Prozent.“
Widerspruch: Solche hohen Wachstumsraten sind nur in frühen Kolonisationsphasen möglich
Die angebliche 33 % Nettozunahme bezieht sich auf eine sehr kleine Ausgangspopulation, in einer frühen Phase ohne Konkurrenzdruck und bei hoher Reproduktion.
Sobald Reviere besetzt sind (was schon bei wenigen Rudeln pro Region geschieht), nimmt die Reproduktion rapide ab:
Nur das Alpha-Paar eines Rudels bekommt Welpen,
Jungtiere wandern ab,
Territorialität limitiert die Anzahl Rudel.
Langfristig pendelt sich das Wachstum bei null ein, siehe z. B. Deutschland:
„Die Wolfszahlen wachsen nicht mehr exponentiell – das jährliche Wachstum in Deutschland hat sich seit 2017 deutlich verlangsamt.“ (DBBW, 2023)
📚 Quelle: Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW): Bericht zur Populationsentwicklung 2023, www.dbb-wolf.de
„Sollte die Umweltkapazitätsgrenze erreicht werden, müssten […] 1000 bis 2000 Wölfe abwandern oder getötet werden.“