Ausweg Herdenschutz - Marcel Züger "Mensch Wolf"

Der Text von Marcel Züger ist ein stark emotionalisierter und polemischer Beitrag gegen Herdenschutzmaßnahmen in den Alpen. Er versucht, durch eine Aneinanderreihung von Extremszenarien, Halbwahrheiten und unbelegten Behauptungen den Eindruck zu erwecken, dass Herdenschutz generell wirkungslos, naturzerstörerisch und psychisch belastend sei. Im Folgenden wird der Text sachlich analysiert, widerlegt und mit wissenschaftlichen Quellen belegt.

🔍 Analyse und Widerlegung zentraler Aussagen

1. Behauptung von Marcel Züger: Herdenschutz ist im Alpenraum technisch nicht umsetzbar

Widerlegung: Der Herdenschutz im Gebirge ist herausfordernd, aber keineswegs unmöglich. Studien und Praxiserfahrungen aus mehreren Alpenländern zeigen, dass Herdenschutz auch in schwierigem Gelände funktioniert – wenn er korrekt geplant, umgesetzt und regelmäßig betreut wird.

  • Beispiel Schweiz: Laut Bundesamt für Umwelt (BAFU) wurde der Herdenschutz in den letzten Jahren erheblich verbessert. 2022 waren laut offiziellen Daten über 90 % der geschützten Herden ohne Verluste. Fehlerhafte Umsetzungen oder mangelnde Pflege führen zu den meisten Vorfällen – nicht das Gelände an sich.

📚 Quelle: BAFU (2023), Herdenschutzbericht Schweiz https://www.bafu.admin.ch

2. Behauptung von Marcel Züger: Wölfe überwinden Zäune regelmäßig – also ist der Herdenschutz nutzlos

Widerlegung: Wölfe sind lernfähig – aber das heißt nicht, dass sie Herdenschutz systematisch überwinden. Vielmehr zeigt die Forschung: Je besser der Schutz (elektrische Zäune, Schutztiere, Nachtpferch, Hirten), desto geringer die Verluste. Das zeigt auch die europäische Erfahrung, z. B. aus Frankreich, Italien und Deutschland.

  • Eine EU-weite Metastudie kam zu dem Schluss, dass korrekt implementierter Herdenschutz in über 90 % der Fälle wirksam ist. Auch nicht alle Wolfsangriffe bedeuten Versagen des Schutzes, sondern oft Defekte, Lücken oder Vernachlässigung der Wartung.

📚 Quelle: Linnell et al. (2021). “Strategies for the coexistence of pastoralism and large carnivores in Europe.” Large Carnivore Initiative for Europe / IUCN. https://www.lcie.org

3. Behauptung von Marcel Züger: Herdenschutz zerstört Lebensräume und tötet Wildtiere

Widerlegung: Jede menschliche Landnutzung – auch Beweidung – verändert Lebensräume. Zäune können lokal Wildtiere behindern, doch dies steht im Kontrast zur positiven Wirkung extensiver Beweidung, etwa gegen Verbuschung und für die Biodiversität. Todesfälle durch Stromzäune sind extrem selten und durch technische Anpassungen (Bodenfreiheit, Blitzschutz, Warnsysteme) reduzierbar.

  • Schutzmaßnahmen wie temporäre Zäune und spezielle Zauntypen (Wildtier-durchlässig, bodenschonend) sind in vielen EU-Naturschutzprogrammen vorgesehen und erfolgreich integriert.

📚 Quelle: European Commission (2018), “Coexistence between people and large carnivores in Europe.” https://ec.europa.eu/environment

4. Behauptung von Marcel Züger: Herdenschutzhunde töten Wildtiere und stören massiv die Fauna

Widerlegung: Der Einsatz von Herdenschutzhunden ist reguliert. Sie werden in der Schweiz, Frankreich und Italien gezielt ausgebildet, sozialisiert und überwacht. Negative Effekte auf Wildtiere sind dokumentiert, aber lokal begrenzt und deutlich geringer als Wolfsrisse ohne Schutz. Maßnahmen wie Leinenpflicht für Besucherhunde und Monitoring der Schutztiere helfen, Konflikte zu minimieren.

📚 Quelle: van Liere et al. (2013), “Herd Protection Dogs to prevent predation on livestock,” Wageningen UR. https://edepot.wur.nl

5. Behauptung von Marcel Züger: Wolfsmanagement sei zu teuer und ineffizient

Widerlegung: Die Kosten für Herdenschutz (etwa 15 Mio. CHF/Jahr in der Schweiz) müssen den ökologischen Leistungen gegenübergestellt werden: Erhalt der Alpwirtschaft, Schutz vor Landschaftsverbuschung, Biodiversitätsschutz, kulturelles Erbe. Zudem wären die Kosten durch Risse, Entschädigungen und Einstallen bei fehlendem Herdenschutz höher.

  • In Frankreich zeigte sich: Investitionen in Prävention sind langfristig günstiger als nachträgliche Entschädigungen und Tierverluste.

📚 Quelle: Boitani et al. (2015), “Approaches to reducing carnivore-livestock conflict in Europe,” European Parliament Study.

6. Behauptung von Marcel Züger: Herdenschutz sei psychisch belastend für die Bauern

Widerlegung: Ja, die Koexistenz mit Großraubtieren verlangt Umstellungen und erzeugt Stress. Doch psychische Belastung ist kein Argument gegen Herdenschutz, sondern für bessere Unterstützung (finanziell, technisch, sozial). Schulungen, Beratung und Gemeinschaftsprojekte (wie "Hirtenpatenschaften") helfen dabei.

📚 Quelle: Reinhardt et al. (2019), “Stressfaktoren für Weidetierhaltende im Wolfsgebiet,” DBBW Deutschland. https://www.dbb-wolf.de

🧠 Fazit:

Der Text ist stark ideologisch aufgeladen, generalisiert Einzelfälle und verwendet selektive oder unzutreffende Daten. Wissenschaftlich gesehen ist:

  • Herdenschutz ein wirksames, notwendiges und gesellschaftlich tragfähiges Mittel zur Koexistenz mit dem Wolf.

  • Die Herausforderung besteht nicht in der generellen Unmöglichkeit, sondern in der korrekten Umsetzung, Unterstützung der Halter und weiteren Forschung.

  • Einzelne negative Effekte (Wildtiere, Landschaft) sind bekannt, aber technisch lösbar – und deutlich geringer als die Schäden bei ungeschützter Weidehaltung oder vollständigem Verzicht auf Beweidung.